"Es geht im Fußball nicht nur um das Spiel auf dem Platz"

Thomas Wolter über seine Arbeit als sportlicher Leiter des Bereichs U19-U23

Thomas Wolter auf der Tribüne.
Thomas Wolter ist seit mehr als 25 Jahren im Nachwuchs des SVW tätig (Foto: W.DE).
Junioren
Sonntag, 22.06.2025 / 10:00 Uhr

Das Interview führte Noah Brodersen

Wer Thomas Wolter sagt, hört zugleich über 40 Jahre grün-weißer Fußballgeschichte mitklingen. Als langjähriger Profi, zweifacher deutscher Meister und heutiger sportlicher Leiter des Bereichs U19-U23 im WERDER Leistungszentrum kennt der 61-Jährige fast jeden Grashalm an der Weser. Im Interview verrät Wolter, wie er Trainingsplatz, Kaderplanung und Charakterarbeit unter einen Hut bringt, was es benötigt um den Sprung in die Bundesliga zu schaffen – und weshalb Zufriedenheit für ihn im Fußball „tödlich“ ist.

WERDER.DE: Moin Thomas, da du in Fachkreisen als wandelnde Werder-Chronik bekannt bist, habe ich zum Start eine Quizfrage für dich: Der Sohn von welchem deiner ehemaligen Mitspieler stand beim Sieg der deutschen A-Junioren-Meisterschaft im Jahr 1999 in der Startelf?

Thomas Wolter: Das müsste Dennis Votava, der Sohn von Mirko Votava, gewesen sein.

WERDER.DE: Vollkommen korrekt. Mittlerweile bist du als sportlicher Leiter des Bereichs U19-U23 selbst für diese Mannschaften verantwortlich. Was machst du da eigentlich den ganzen Tag?

Thomas Wolter: Die Frage bekomme ich öfter gestellt (lacht). Meine Arbeitswoche ist sehr vielfältig. Zum einen gibt es die Fachbereichsleitersitzungen und die regelmäßigen Gespräche mit den Trainerteams. Zum anderen versuche ich bei der U19 und U23 oft beim Training vor Ort zu sein. Dazu passiert noch vieles um die Mannschaft herum, wie beispielsweise der Austausch mit den Beratern oder Eltern. Die Kaderplanung ist ein durchgehender Prozess. Dafür halte ich Kontakt zu unseren Scouts und spreche mit Familien sowie Beratern potenzieller Neuzugänge.

WERDER.DE: Welche Eigenschaften sind dir bei jungen Spielern besonders wichtig?

Thomas Wolter: Erst einmal muss das Gefühl da sein, dass es sich um einen richtig guten Fußballer handelt. Dann geht es darum, Informationen über den Jungen durch die eigenen Scouts und das aufgebaute Netzwerk zu bekommen. Hier sind auch viele charakterliche Eigenschaften wie der Umgang mit Misserfolgen oder das Verhalten als Teamplayer entscheidend. Für mich persönlich ist es wichtig, eine Mannschaft zusammenzustellen, die sowohl mit fußballerischer Klasse agiert als auch menschlich einwandfrei ist.

WERDER.DE: Das ist euch bei der U19 im letzten Jahr sehr gelungen…

Thomas Wolter: Auf jeden Fall. Es geht im Fußball nicht nur um das Spiel auf dem Platz. Es gibt sehr viele Kleinigkeiten, die die Spieler lösen müssen, besonders wenn sie irgendwann in den Profifußball kommen wollen. Die U19 war charakterlich sowie sportlich super und hat, das Spiel gegen Köln einmal ausgenommen, beeindruckende Nervenstärke bewiesen.

WERDER.DE: Welche Bedeutung hat der Pokalsieg am Ende für das WERDER Leistungszentrum?

Thomas Wolter: Wir messen unseren Erfolg nicht in Titeln. Natürlich wollen wir gute Spieler ausbilden und wenn uns das gelingt, kommt der Erfolg von allein. Somit war der Pokalsieg ein Ausrufezeichen für uns als Leistungszentrum. Wir haben aber auch schon zuvor gute Arbeit geleistet, wenn man an die Jahrgänge 2001/2002 mit Eren Dinkci, Nick Woltemade und Yannik Engelhardt denkt. Ein Titel rückt das Team aber natürlich stärker in den medialen Fokus. Dennoch kann jetzt nicht davon ausgegangen werden, dass die Jungs automatisch in der Bundesliga spielen. Wichtig ist, jetzt den nächsten Schritt zu machen. Viele unserer U19-Pokalsieger besitzen das Rüstzeug, sind nun aber selbst gefordert.

Wir vermitteln den Jungs das nötige Rüstzeug, um den Trainer der Profimannschaft von sich zu überzeugen.
Thomas Wolter

WERDER.DE: Was braucht es denn, um den Sprung in den Profibereich zu schaffen?

Thomas Wolter: Zuerst müssen die Spieler die Dinge mitbringen, die sie im Jugendbereich schon beherrscht haben und dann für den Ernstfall gewappnet sein. Das Spiel ist schneller, die Mitspieler sowie Gegenspieler sind besser als noch im Jungendbereich. Dazu ist es eine ganze andere Situation, ob vor hundert oder vor mehreren tausend Zuschauern gespielt wird. Auch mentale Stärke ist sehr wichtig. Misserfolge werden kommen und dann gilt es, wie die Spieler mit diesen umgehen. Wir vermitteln den Jungs das nötige Rüstzeug, um den Trainer der Profimannschaft von sich zu überzeugen. Philipp Bargfrede hinterließ damals in nur vier Wochen Vorbereitung so einen starken Eindruck, dass Thomas Schaaf mir sofort sagte, er plane mit ihm und ich würde Philipp nie wieder im Jugendbereich sehen (schmunzelt).

WERDER.DE: Welche Rolle kann da die U23 bei der Entwicklung spielen?

Thomas Wolter: Die U23 ist sehr wichtig für uns. Sie bildet für die Jungs das Wochenende ab und ermöglicht unseren jüngeren Spielern Spielpraxis auf einem hohen Niveau, was das Wichtigste in diesem Alter ist. Wir haben in der Regionalliga wirklich gute Gegner, um sich an den Herrenfußball zu gewöhnen. Freitagabendspiele, tiefer Boden, körperlich starke Kontrahenten, enthusiastische gegnerische Fans. All das bringt die Jungs voran. Wir haben in der letzten Spielzeit in der U23 eine gute Saison gespielt und den vierten Platz erreicht. Dennoch ist es unser Anspruch, Spieler in den Profibereich zu bringen. Das ist uns in der letzten Saison nicht ausreichend gelungen und damit geben wir uns nicht zufrieden.

WERDER.DE: In der kommenden Saison wird es einen direkten Aufstiegsplatz in der Regionalliga Nord geben. Was erwartest du von der Liga?

Thomas Wolter: Ich bin sehr gespannt, was die neue Spielzeit bringt. Es ist zu erwarten, dass Vereine wie Drochtersen/Assel, Lübeck, Emden oder auch Lohne aufrüsten, weil nicht der Umweg über die Aufstiegsspiele notwendig ist. Es wird eine spannende Liga, in der wir mit einer sehr jungen Mannschaft antreten werden. Dazu werden uns sicherlich mit Wesley Adeh, Karim Coulibaly, Patrice Covic, Mick Schmetgens und Stefan Smarkalev fünf Spieler unterstützen, die eigentlich noch in der U19 auflaufen könnten. Wir besitzen zahlreiche vielversprechende Spieler in unseren Reihen. Ich blicke voller Vorfreude auf die kommende Saison.

WERDER.DE: Welchen Einfluss haben diese Kaderveränderungen auf eure Ziele für das Jahr 2025/2026?

Thomas Wolter: Unser Hauptziel ist es, möglichst viele Talente näher an oder bestenfalls in den Bundesliga-Kader zu führen. Außerdem möchten wir die bestmögliche Platzierung mit unserer U23 erreichen. Wenn fünf Leistungsträger, die noch in der U19 spielen könnten, hochgezogen werden, wird sich dies dort bemerkbar machen. Dazu haben noch sechs weitere Spieler den Schritt von der U19 in die U23 gemacht. Es darf also nicht davon ausgegangen werden, dass die U19 wieder so einen Lauf hinlegt, das haben wir einkalkuliert. Im Fokus steht vor allem die individuelle Weiterentwicklung der einzelnen Spieler.

WERDER.DE: Und was muss passieren, damit du persönlich am Ende der kommenden Saison zufrieden bist?

Thomas Wolter: Meiner Meinung nach ist Zufriedenheit im Fußball tödlich, weil man dann aufhört an sich zu arbeiten (schmunzelt). Ich habe in den letzten Jahren so viel im Fußball erlebt und weiß, wie schnell sich Dinge ändern können. Ich sehe mich weiterhin sowohl für die Jungs als auch für die Trainer als Verbindungsmann und möchte gemeinsam immer weiter vorangehen. Gerne denke ich daran zurück, wie Aaron Hunt als U19-Spieler bei seinem Profidebüt direkt sein erstes Bundesligator erzielen konnte. In solchen Momenten stellt sich kurz Zufriedenheit ein, spätestens am nächsten Tag geht mein Blick dann aber schon auf den nächsten Spieler, der den Sprung vielleicht schaffen könnte.

WERDER.DE: Das sind schöne Schlussworte. Vielen Dank für deine Zeit, lieber Thomas!

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